Neues aus der Praxis


16.08.2024 - Veröffentlichungen

Andreas Kleefisch und Markus Reckin

Bei Solarmodulen handelt es sich bis heute um ein nicht geregeltes Bauprodukt

Vor Gericht wird in vielen Fällen darüber gestritten, ob die Solarmodule richtig und rechtskonform in Photovoltaik-Anlagen eingebaut sind. Dabei werden oftmals Begrifflichkeiten vermengt, die gar nicht auf den konkreten Fall anwendbar sind. Andreas Kleefisch und Markus Recklin von der Kanzlei Baumeister Rechtsanwälte aus Münster versuchen, den Nebel im Dickicht der verschiedenen deutschen und EU-weiten Vorschriften zu lichten.

PV Magazine 16.08.2024

 

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05.08.2024 - News auf der Startseite (Neues aus der Praxis)

Veröffentlichung

Scheitert die Energiewende an den deutschen Landesbauordnungen?

Andreas Kleefisch und Markus Reckin:

NJOZ 2024, Seite 929 (Neue Juristische Online-Zeitschrift, Verlag CH Beck)

In diesem Artikel in der NJOZ aus August 2024 setzen sich die Autoren mit den Rechtsfragen zur Notwendigkeit von technischen und betrieblichen Zulassungen von Photovoltaikmodulen nach dem Recht der europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland auseinander. Der durch das EEG in Deutschland ausgelöste Boom der Photovoltaik ist mittlerweile über 20 Jahre alt. Die Zubauzahlen steigen kontinuierlich, sowohl bei Großanlagen in der Freifläche und auf großen (Flach-) Dächern als auch bei vielen kleineren Anlagen auf den privaten – meist Steil-) Dächern von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Mehrfamilienhäusern. Durch die schiere Vielzahl der Werkverträge, oft ausbleibende Planung und Qualitätskontrolle sowie einen eklatanten Fachkräftemangel steigt auch die Anzahl der bau- und werkvertraglichen Auseinandersetzungen. Seit der Bundesgerichtshof in seinem sog. „Tennishallenurteil“[1] die Planung, Lieferung und Montage von Aufdachanlagen klar und unmissverständlich dem Regime des Werkvertragsrecht zugewiesen hat, werden die Rechtsstreitigkeiten immer häufiger von den Baukammern der Instanzgerichte behandelt. Diese wiederum schalten die ihnen aus anderen Fällen bekannten (Bau-) Sachverständigen bei der Klärung von Mängeln ein.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wird immer häufiger die Frage gestellt, ob die verarbeiteten Komponenten (Module, Unterkonstruktion, Dach-Befestigungshaken, Klammern, Kabel, Stecker, Wechselrichter, Ladeinfrastruktur etc.) so, wie sie „verarbeitet wurden“ den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen bzw. jeweils einzeln oder in Kombination miteinander „zugelassen“ sind, über Bauartzulassungen verfügen oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) haben müssen. Bei einem Blick in die einschlägigen Normen fällt auf, dass diese Rechtsfrage – und eine solche ist es – für (technische) Sachverständige nur schwerlich zu beantworten ist, leider aber in der Praxis von Seiten der Gerichte nur wenig Hilfestellung gegeben wird. Betrachtet man zusätzlich, dass die Entwicklung in diesem Bereich der Energiegewinnung rasant ist, die Normungskörperschaften aber kaum mitkommen, ist zu konstatieren, das oft am Rande des technisch Zulässigen operiert wird. So sind z.B. aus Kostengründen die Module in den letzten Jahren immer größer geworden und die „2-Quadratmeter-Grenze“ (Erläuterung unten) wurde überschritten. Unter anderem dieser Punkt bedarf einer technischen und rechtlichen Betrachtung, der auf andere geregelte und ungeregelte Bereiche des Umgangs mit Komponenten, die fest in oder an ein Bauwerk angebracht / eingebunden werden und daher als Baustoffe zu klassifizieren sind zu übertragen ist. Dass das DIBt nun die „Modulgröße auf 3 Quadratmeter erhöhen will[2] ist folgerichtig, bedarf aber ebenfalls einer rechtlichen Betrachtung.

[1] BGH, Urteil vom 02.06.2016 - VII ZR 348/13 -, NJW 2016, 2876

05.08.2024 - Veröffentlichungen

Scheitert die Energiewende an den deutschen Landesbauordnungen?

Andreas Kleefisch und Markus Reckin

NJOZ 2024, Seite 929 (Neue Juristische Online-Zeitschrift, Verlag CH Beck)

In diesem Artikel in der NJOZ aus August 2024 setzen sich die Autoren mit den Rechtsfragen zur Notwendigkeit von technischen und betrieblichen Zulassungen von Photovoltaikmodulen nach dem Recht der europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland auseinander. Der durch das EEG in Deutschland ausgelöste Boom der Photovoltaik ist mittlerweile über 20 Jahre alt. Die Zubauzahlen steigen kontinuierlich, sowohl bei Großanlagen in der Freifläche und auf großen (Flach-) Dächern als auch bei vielen kleineren Anlagen auf den privaten – meist Steil-) Dächern von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Mehrfamilienhäusern. Durch die schiere Vielzahl der Werkverträge, oft ausbleibende Planung und Qualitätskontrolle sowie einen eklatanten Fachkräftemangel steigt auch die Anzahl der bau- und werkvertraglichen Auseinandersetzungen. Seit der Bundesgerichtshof in seinem sog. „Tennishallenurteil“[1] die Planung, Lieferung und Montage von Aufdachanlagen klar und unmissverständlich dem Regime des Werkvertragsrecht zugewiesen hat, werden die Rechtsstreitigkeiten immer häufiger von den Baukammern der Instanzgerichte behandelt. Diese wiederum schalten die ihnen aus anderen Fällen bekannten (Bau-) Sachverständigen bei der Klärung von Mängeln ein.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wird immer häufiger die Frage gestellt, ob die verarbeiteten Komponenten (Module, Unterkonstruktion, Dach-Befestigungshaken, Klammern, Kabel, Stecker, Wechselrichter, Ladeinfrastruktur etc.) so, wie sie „verarbeitet wurden“ den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen bzw. jeweils einzeln oder in Kombination miteinander „zugelassen“ sind, über Bauartzulassungen verfügen oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) haben müssen. Bei einem Blick in die einschlägigen Normen fällt auf, dass diese Rechtsfrage – und eine solche ist es – für (technische) Sachverständige nur schwerlich zu beantworten ist, leider aber in der Praxis von Seiten der Gerichte nur wenig Hilfestellung gegeben wird. Betrachtet man zusätzlich, dass die Entwicklung in diesem Bereich der Energiegewinnung rasant ist, die Normungskörperschaften aber kaum mitkommen, ist zu konstatieren, das oft am Rande des technisch Zulässigen operiert wird. So sind z.B. aus Kostengründen die Module in den letzten Jahren immer größer geworden und die „2-Quadratmeter-Grenze“ (Erläuterung unten) wurde überschritten. Unter anderem dieser Punkt bedarf einer technischen und rechtlichen Betrachtung, der auf andere geregelte und ungeregelte Bereiche des Umgangs mit Komponenten, die fest in oder an ein Bauwerk angebracht / eingebunden werden und daher als Baustoffe zu klassifizieren sind zu übertragen ist. Dass das DIBt nun die „Modulgröße auf 3 Quadratmeter erhöhen will[2] ist folgerichtig, bedarf aber ebenfalls einer rechtlichen Betrachtung.

[1] BGH, Urteil vom 02.06.2016 - VII ZR 348/13 -, NJW 2016, 2876

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07.12.2023 - Öffentliches Baurecht

Pressemitteilung

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren zum Kraftwerk Datteln 4

Mit Urteil vom 07.12.2023 hat das Bundesverwaltungsgericht die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 26.08.2021 (– 10 D 40/15.NE, 10 D 43/15.NE, 10 D 106/14.NE - ) aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen (BVerwG - 4 CN 4.22, 4 CN 5.22, 4 CN 6.22 -). Der streitgegenständliche Bebauungsplan bildet die Grundlage für das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 des Betreibers Uniper, das eine elektrische Nettoleistung von 1.250 MWel aufweist und zudem bis zu 380 MWth Fernwärme produziert. Das Kraftwerk ist seit 2020 am Netz.

Das OVG Münster hatte den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 105a – Kraftwerk – der Stadt Datteln für unwirksam erklärt, da die ihm zugrunde liegende 7. Änderung des Regionalplans für den Regierungsbezirk Münster – Teilabschnitt Emscher-Lippe – wegen einer fehlerhaften Standortalternativenprüfung gem. Nr. 2 d) der Anlage 1 zu § 9 ROG 2008 abwägungsfehlerhaft sei und dieser Fehler auf die bauleitplanerische Abwägung gem. § 1 Abs. 7 BauGB der Stadt Datteln „durchschlage“. Auf die vom BVerwG zugelassene Revision der Stadt Datteln und der Uniper Kraftwerke GmbH hat das BVerwG die o.g. Entscheidung getroffen. Ausweislich der vorliegenden Pressemitteilung hat der 4. Senat des BVerwG sein Urteil insbesondere auf folgende Erwägungen gestützt: Das OVG habe zu Unrecht angenommen, dass der Suchraum für alternative Standorte auf den gesamten Zuständigkeitsbereich des Regionalverbandes Ruhr als Träger der Regionalplanung erstreckt werden müsse und die Suchkriterien so bestimmt werden müssten, dass anstelle eines Steinkohlekraftwerks auch ausschließlich ein Gaskraftwerk realisiert werden könnte. Damit bestätigt das Gericht die zentralen Argumente der Revisionsführer. Im Rahmen der Fortsetzung des Normenkontrollverfahrens wird nunmehr der Bebauungsplan selbst zu prüfen sein, mit dem sich das OVG bislang nicht inhaltlich befasst hatte.

Die Stadt Datteln wurde/wird im Bauleitplanverfahren, im Normenkontroll- und im Revisionsverfahren von der Kanzlei Baumeister Rechtsanwälte vertreten.

Weitere Informationen zu dem Verfahren finden Sie auch unter: Streit um Datteln 4 geht mit Baumeister und Kapellmann weiter | juve.de

Ansprechpartner: Dr. Hünnekens

19.10.2023 - Veröffentlichungen

Veröffentlichung

Erfolgreiche Unterlassungsklage gegen Prosumer-Stromtarif „ViShare“ von Viessmann

Viessmann wird irreführende Werbung für Prosumer-Tarif „Vishare“ final gerichtlich untersagt

Die Verbraucherzentrale NRW klagte gegen den Konzern, da dieser damit warb, dass Verbraucher gemeinsam Strom erzeugen und verbrauchen und sich damit unabhängig von Energieversorgern und steigenden Strompreisen machen zu können. Das Urteil aus dem Oktober 2021 ist nun rechtskräftig.

Sandra Enkhardt, PV-Magazine am 19.10.2023

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13.09.2023 - Allgemein

§ 10 Abs. 4 S. 2 UVPG ist mit Unionsrecht nicht vereinbar

Kürzlich ist ein Beschluss des EuGH vom 28.02.2023 veröffentlicht worden, der erhebliche Auswirkungen auf Genehmigungsverfahren und ggf. auch noch anhängige Klageverfahren für gewerblich, also ohne eigene Futtergrundlage betriebene Tierhaltungsanlagen haben wird. Auf eine Vorlage des VG Minden zu den Kumulationsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 4 UVPG stellte der EuGH zu dem im deutschen Recht aus § 10 Abs. 4 S. 2 UVPG folgenden Erfordernis der Verbindung mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtung zur Herstellung eines die Kumulation (mit) bergründenden engen Zusammenhangs technischer und sonstiger Anlagen fest, dass dieses unionsrechtswidrig ist. In den Randnummern 31-34 heißt es hierzu wie folgt:

 

„Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich bei der Überprüfung, ob ein Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss, die einer nationalen Behörde nach diesen Vorschriften obliegende Verpflichtung, die Auswirkungen zu prüfen, die das Projekt zusammen mit anderen haben könnte, mangels einer Präzisierung nicht allein auf gleichartige Projekte beschränkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Februar 2015, Marktgemeinde Straßwalchen u. a., C?531/13, EU:C:2015:79, Rn. 45).

 

Erst recht kann diese Verpflichtung nicht allein auf Projekte beschränkt werden, die mit gemeinsamen Einrichtungen verbunden sind. Daher kann, wie das vorlegende Gericht ausführt, die Frage, ob mehrere Projekte zusammen erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, nicht von einer Verbindung dieser Projekte mit solchen Einrichtungen abhängen.

 

Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/92 in Verbindung mit Anhang III Nr. 1 Buchst. b und Nr. 3 Buchst. g dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der die Verpflichtung, die Auswirkungen zu prüfen, die ein Projekt gemeinsam mit anderen Projekten haben könnte, auf Fälle beschränkt ist, in denen die geplante Anlage und die anderen Projekte mit gemeinsamen Einrichtungen verbunden sind.“

 

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=271195&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1

 

[Hervorhebung nicht im Original.]

 

Im Ergebnis kommt diese Entscheidung nicht überraschend und ist vor dem Hintergrund des unionsrechtlichen Normzwecks folgerichtig (vgl. hierzu: Arnold, in: Beckmann/Kment, UVPG/UmwRG, 6. Auflage (2023), § 10 Rn. 30 ff.), wenngleich das BVerwG zur Vorgängernorm des § 3b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UVPG a.F. feststellte, dass das seinerzeit gleichlautende Erfordernis unionsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

 

Für laufende und kommende Genehmigungsverfahren sowie ggf. auch für noch anhängige Klageverfahren wird dieser Beschluss genau auszuwerten und insbesondere die jeweilige Konstellation daraufhin abzuprüfen sein, ob eine Verneinung des Vorliegens der Kumulationsvoraussetzungen durch eine Trennung der Anlagen dergestalt erreicht wurde, dass das Entstehen gemeinsamer betrieblicher oder baulicher Einrichtungen ausgeschlossen wurde (bspw. durch ein Wegziehen des Bauherrn von der elterlichen Hofstelle, um die verbindende Wirkung eines gemeinsam genutzten Betriebsleiterwohnhauses zu umgehen), wohingegen die weiteren Voraussetzungen (überschneidende Umwelteinwirkungen und funktional-wirtschaftliche Bezogenheit der Projekte aufeinander) vorlagen.

 

Bei Rückfragen wenden Sie sich an: Dr. Martin Arnold

21.07.2023 - Verwaltungsrecht

§ 13b BauGB ist mit Unionsrecht nicht vereinbar

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 18. Juli 2023 entschieden, dass Freiflächen außerhalb des Regelungsbereichs einer Gemeinde nicht im beschleunigten Verfahren nach § 13b S. 1 BauGB ohne Umweltprüfung überplant werden dürfen.

 

Die Entscheidung bezieht sich auf ein Normenkontrollverfahren einer gemäß § 3 UmwRG anerkannten Umweltvereinigung gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Dieser setzt für ein ca. 3 ha großes Gebiet am südwestlichen Ortsrand der Gemeinde im planungsrechtlichen Außenbereich ein (eingeschränktes) allgemeines Wohngebiet fest. Der Bebauungsplan wurde im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB ohne Umweltprüfung aufgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat den Normenkontrollantrag als unbegründet abgewiesen. Die Durchführung des beschleunigten Verfahrens begegne keinen Bedenken. § 13b BauGB sei mit der SUP-Richtlinie vereinbar, seine Tatbestandsvoraussetzungen lägen vor.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil aufgehoben und den Bebauungsplan für unwirksam erklärt. Zur Begründung führt das Bundesverwaltungsgericht in seiner Pressemitteilung aus, der Plan leide an einem beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Er sei zu Unrecht im beschleunigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB erlassen worden. Die Vorschrift verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der SUP-RL. Art. 3 Abs. 1 SUP-RL verlangt eine Umweltprüfung für alle Pläne nach den Absätzen 2 bis 4, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Ob dies der Fall ist, bestimmen die Mitgliedstaaten für die in den Absätzen 3 und 4 genannten Pläne entweder durch Einzelfallprüfung, Artfestlegung oder eine Kombination dieser Ansätze (Art. 3 Abs. 5 SUP-RL). Der nationale Gesetzgeber habe sich in § 13b BauGB für eine Artfestlegung entschieden. Diese müsse nach der Rechtsprechung des zur Auslegung des Unionsrechts berufenen Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, dass erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen seien. Der Gesetzgeber dürfe sich folglich nicht mit einer typisierenden Betrachtungsweise oder Pauschalierung begnügen.

 

Diesem eindeutigen und strengen Maßstab werde § 13b Satz 1 BauGB nicht gerecht. Anders als bei Bebauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a BauGB, die der Inanspruchnahme von Flächen außerhalb des Siedlungsbereichs entgegenwirken sollten, erlaube § 13b BauGB gerade die Überplanung solcher Flächen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB – Flächenbegrenzung, Beschränkung auf Wohnnutzung sowie Anschluss an einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil – seien nicht geeignet, erhebliche Umwelteinwirkungen in jedem Fall von vornherein auszuschließen. Das gelte schon wegen der ganz unterschiedlichen bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit.

 

§ 13b BauGB dürfe daher wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht angewendet werden. Die Antragsgegnerin habe somit nach den Vorschriften für das Regelverfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans eine Umweltprüfung durchführen sowie einen Umweltbericht erstellen und der Begründung des Bebauungsplans beifügen müssen. Dieser beachtliche, vom Antragsteller fristgerecht (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) gerügte, Verfahrensmangel habe die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge (Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 59/2023 vom 18. Juli 2023).

 

Für die Praxis ergeben sich aus dem Urteil vermutlich folgende Konsequenzen:

 

Laufende Verfahren nach § 13b BauGB müssen entweder eingestellt oder auf ein normales Verfahren mit Umweltbericht und Eingriffsausgleich umgestellt werden. Für Letzteres wird eine erneute Offenlage erforderlich sein.

 

In der Vergangenheit beschlossene Bebauungspläne nach § 13b BauGB dürften unwirksam sein. Für bereits bebaute Plangebiete führt dies in der Regel zur Anwendbarkeit von § 34 BauGB. Für die Bauvorhaben gelten dann nicht mehr die Festsetzungen des bisherigen Bebauungsplans. Möglicherweise können die bisherigen Festsetzungen durch einen neuen Bebauungsplan, dann beschlossen im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB und gestützt auf § 13a BauGB, ohne erneute Offenlage erneut in Kraft gesetzt werden, sofern dieser Bebauungsplan zu einer weiteren Innenentwicklung beiträgt, ansonsten durch einen Bebauungsplan im normalen Verfahren und mit Umweltbericht und Eingriffsausgleich.

 

Sind Gebäude im Plangebiet im Genehmigungsfreistellungsverfahren bereits fertiggestellt worden, werden sie in Bezug auf die später festgestellte Nichtigkeit des Bebauungsplans durch landesrechtliche Vorschriften geschützt (z. B. § 63 Abs. 7 BauO NRW, § 62 Abs. 11 S. 2 NBauO). Baumaßnahmen für Gebäude, die noch nicht fertiggestellt sind, sind dagegen formell und unter Umständen auch materiell illegal. Sie können – und müssen möglicherweise auch – von der Bauaufsicht unterbunden werden.

 

Sind Gebäude im Plangebiet dagegen durch eine Baugenehmigung zugelassen, so setzt sich in der Regel die Bestandskraft der Baugenehmigung durch. Die Baugenehmigung erweist sich im Nachhinein zwar objektiv als rechtswidrig, eine Rücknahme steht aber im Ermessen der Bauaufsicht. Angesichts der auszugleichenden Vermögensschäden bei Rücknahme der Baugenehmigung nach § 48 VwVfG wird das Ermessen in den meisten Fällen nicht auf Null reduziert sein, die Genehmigung zurückzunehmen.

 

Arbeiten der Gemeinde oder eines Vorhabenträgers zur Erschließung des Plangebiets dürfen vermutlich nicht mehr durchgeführt werden. Restarbeiten dürften auf der Grundlage von § 125 Abs. 2 BauGB möglich sein.

 

Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Herrn Prof. Dr. Olaf Bischopink oder Frau Elisabeth Willems.

 

17.04.2023 - Veröffentlichungen

Welche Optionen Senec-Kunden bei eingeschränkter Speicherkapazität haben

Interview: Nach einem neuerlichen Zwischenfall sind die viele Photovoltaik-Heimspeicher derzeit im „Konditionierungsbetrieb“ und nur maximal 70 Prozent der Kapazität steht den Kunden zur Verfügung. Viele Betreiber fragen sich und uns, ob sie dies so hinnehmen müssen und was sie tun können. Für Rechtsanwalt Andreas Kleefisch von der Kanzlei Baumeister Rechtsanwälte Partnerschaft mbB ist es ein klarer Mangel. In den meisten Fällen greift damit die Gewährleistung, die Endkunden gegenüber den Fachpartnern von Senec geltend machen können. Aber auch die Installationsbetriebe haben Möglichkeiten, nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben, sondern sie an Senec weiterzureichen, wie der Anwalt erklärt.

Den vollständigen Artikel finden Sie hier.

Sandra Enkhardt, PV-Magazine 17.04.2023

weitere Publikationen

09.03.2023 - Verwaltungsrecht

Initiativstellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zur Reform des Baugesetzbuchs

In der Initiativstellungnahme 9/2023 hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) durch seinen Gesetzgebungsausschuss Verwaltungsrecht Vorschläge zur Reform des Baugesetzbuchs unterbreitet.  Die Stellungnahme enthält Vorschläge für Änderungen und Ergänzungen des BauGB sowie der BauNVO mit dem Ziel dort Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, wo sich bestehende Unsicherheiten bei der Anwendung des Bauplanungsrechts als Investitionshemmnisse erweisen. So wird vorgeschlagen den Festsetzungskatalog des § 9 BauGB zu erweitern, um dort eine Rechtsgrundlage für die Kontingentierung von Lärmemissionen in Gewerbe- und Industriegebieten zu schaffen. Durch einen neuen § 9 Abs. 2e BauGB soll den Kommunen die Möglichkeit eröffnet werden durch Festsetzungen im Bebauungsplan von den Immissionsrichtwerte der TA Lärm abzuweichen, sofern gesunde Wohn- und Lebensverhältnisse gewahrt bleiben. Der DAV schlägt zudem vor, § 9 Abs. 2d BauGB neu zu regeln, da sich die Vorschrift nicht eignet das angestrebte Ziel, nämlich den Erlass einfacher Bebauungspläne zur Wohnraumversorgung, zu verwirklichen, was insbesondere auf inhaltlicher Unbestimmtheit beruht.

Die DAV-Initiativstellungnahme 9/2003 finden Sie hier.

Dr. Georg Hünnekens war als Mitglied des DAV-Ausschusses Verwaltungsrecht und Berichterstatter an der Initiativstellungnahme beteiligt. Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Herrn Dr. Georg Hünnekens.

27.02.2023 - Verwaltungsrecht

Pressemitteilung

Teilerfolg der Stadt Bottrop im Streit um Decathlon-Markt in Oberhausen

In einem Normenkontrollverfahren hat heute das Oberverwaltungsgericht den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 27 - Brammenring - der Stadt Oberhausen auf Antrag der Stadt Bottrop für unwirksam erklärt. Mit dem angegriffenen Bebauungsplan sollte die planungsrechtliche Grundlage für die von der Beigeladenen beabsichtigte Errichtung eines Decathlon-Sportfachmarkts auf einem Grundstück in der Nähe des Einkaufszentrums CentrO geschaffen werden. Die Klage der Stadt Bottrop gegen den der Beigeladenen erteilten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid der Stadt Oberhausen für einen Sportfachmarkt hat das Oberverwaltungsgericht demgegenüber im Berufungsverfahren abgewiesen. Damit hat es die von der Beigeladenen angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf geändert, das der Klage stattgegeben hatte.

 

Zur Begründung der Urteile führte der Vorsitzende des 10. Senats aus: Der Bebauungsplan ist unwirksam. Er ist nicht an die Ziele der Raumordnung angepasst. Bei dem Decathlon-Sportfachmarkt, für dessen Ansiedlung der Bebauungsplan die planungsrechtliche Grundlage in Form eines Sondergebiets schaffen soll, handelt es sich um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb mit zentrenrelevanten Kernsortimenten. Nach dem Landesentwicklungsplan Nordrhein-Westfalen dürfen Sondergebiete für solche Vorhaben nur in bestehenden zentralen Versorgungsbereichen sowie in neu geplanten zentralen Versorgungsbereichen in städtebaulich integrierten Lagen geplant werden. Das Sondergebiet wird hier in eine in dem Einzelhandelskonzept der Stadt Oberhausen so bezeichnete Entwicklungsfläche des "Hauptzentrums Neue Mitte Oberhausen" hineingeplant, in der insbesondere das CentrO angesiedelt ist. Die damit beabsichtigte Erweiterung des "Hauptzentrums Neue Mitte Oberhausen" kommt der Neuplanung eines zentralen Versorgungsbereichs gleich. Die Voraussetzungen für einen solchen liegen hier nicht vor, denn es fehlt an einer städtebaulich integrierten Lage, wie sie der Landesentwicklungsplan für neu geplante zentrale Versorgungsbereich verlangt. Für die Entwicklungsfläche, in die das Sondergebiet hineingeplant wird, sind die Erwägungen, die seinerzeit die Entstehung und die Entwicklung des "Hauptzentrums Neue Mitte Oberhausen" möglich gemacht hatten, heute angesichts der Entwicklung des Einzelhandels, des Niedergangs vieler Innenstädte und geänderter rechtlicher Vorgaben nicht mehr gleichermaßen tragfähig.

 

Die Klage der Stadt Bottrop gegen den der Beigeladenen erteilten bauplanungsrechtlichen Vorbescheid für einen Sportfachmarkt mit einer Gesamtverkaufsfläche von 4.500 qm ist unbegründet. Aus der Unwirksamkeit des Bebauungsplans kann die Klägerin insoweit nichts zu ihren Gunsten herleiten. Ein bauplanungsrechtliches Abwehrrecht kann sich für sie nur daraus ergeben, dass von Vorhaben, die - wie hier - im unbeplanten Innenbereich verwirklicht werden sollen, keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Standortgemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein dürfen. Der Vorbescheid bestimmt, dass nur ein Sportfachmarkt bauplanungsrechtlich zulässig ist, dessen Verkaufsfläche für zentrenrelevante Sortimente maximal 800 qm beträgt. Aus der vorliegenden Auswirkungsanalyse mit einer Prognose der zu erwartenden Umsatzverteilungen ergibt sich, dass im Fall der Ansiedlung des geplanten Decathlon-Sportfachmarkts schädliche Auswirkungen zu Lasten der Bottroper Innenstadt und des Bottroper Nebenzentrums Boy nicht zu erwarten sind. Dies gilt auch unter Berücksichtigung etwaiger durch das CentrO bereits hervorgerufener nachteiliger Auswirkungen auf diese zentralen Versorgungsbereiche der Stadt Bottrop.

 

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision jeweils nicht zugelassen. Dagegen kann Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Aktenzeichen

10 D 26/20.NE

10 A 1136/22 (I. Instanz: VG Düsseldorf 25 K 6111/19)

(Es handelt sich um eine Pressemitteilung des OVG NRW)

 

Baumeister Rechtsanwälte waren die Prozessbevollmächtigten der Stadt Bottrop.

Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Herrn Prof. Dr. Bischopink.

 

 


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